Dr. Herbert Stradner (1925–2022)

© GeoSphere Austria / Lois Lammerhuber

 

Am 23. Juli 2022 ist Dr. Herbert Stradner verstorben. Herbert Stradner wurde am 23. Mai 1925 in Pirawarth (heute: Bad Pirawarth) in Niederösterreich geboren. Nach dem Schulabschluss 1943 begann er das Studium der Medizin an den Universitäten Wien und Innsbruck. Während des Zweiten Weltkriegs war er Sanitätsgefreiter bei der Luftwaffe und bis 1946 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Von 1946 bis 1950 arbeitete er als Krankenpfleger sowie als Verkäufer und Personalreferent im Kühlhaus Bergheim (Salzburg). 1950 erhielt er die Lehrbefähigungsprüfung für Englisch mit Auszeichnung. Von 1950 bis 1960 war er Englischlehrer an verschiedenen Wiener Hauptschulen, nebenberuflich studierte er Botanik (Hauptfach) und Anthropologie (Nebenfach) an der Universität Wien. Am 27. Juni 1956 promovierte er zum Dr. phil. mit seiner Dissertation „Über fossile Silicoflagellaten aus dem Tertiär Österreichs“, betreut von Adolf Papp (1915–1983) an der Universität Wien und Georges Deflandre (1897–1973) am Muséum national d’histoire naturelle in Paris. 1959 arbeitete er am 5. Welt-Erdölkongress in New York mit. 1960 wurde er der Geologischen Bundesanstalt (GBA) dienstzugeteilt und 1962 in deren Personalstand übernommen. 1963 Mitarbeit und Vortrag am 6. Welt-Erdölkongress in Frankfurt am Main. Im Zeitraum von 1964 bis 1970 war er Instruktor für Nannopaläontologie im Rahmen der UNESCO Postgraduate Training Courses, die damals an der GBA abgehalten wurden. Von 1974 bis 1978 war er Abteilungsleiter für Grundlagenforschung und Laboratorien an der GBA; ab 1979 Leiter der Fachabteilung Paläontologie. 1981 wurde er zum Hofrat ernannt, 1990 ging er in den Ruhestand.

Hervorzuheben sind vor allem seine drei Fahrten auf dem Bohrschiff Glomar Challenger, wobei wesentliche Daten aus Ozeanbohrungen gewonnen wurden. 1970: Ship-board-scientist der Glomar Challenger im Rahmen des Deep Sea Drilling Projects (Leg 13 Mittelmeer). Bei dieser Forschungsfahrt wurde das Austrocknen des Mittelmeeres (Messinian salinity crisis) entdeckt. 1979: Ship-board-scientist der Glomar im Pazifik (Leg 66). 1980: Ship-board-scientist bei Leg 75 im Südatlantik. 1981 und 1984 hielt er Blockvorlesungen über Nannopaläontologie an den Universitäten Innsbruck, Salzburg und Wien.

Herbert Stradner beschrieb über 100 neue Arten von Nannofossilien, sein Forschungsschwerpunkt galt der Gruppe der Discoastriden. Durch seine Arbeiten für die Erdölindustrie konnte er zahlreiche stratigrafische Fragen lösen. Ihm zur Ehren wurden die Gattungen Stradneria REINHARDT (1964), Stradnerius HAQ (1968) und Stradnerlithus BLACK (1971) sowie folgende Arten benannt: Cyclococcolithus stradneri JAFAR (1975), Discoaster stradneri MARTINI (1961), Haslingfieldia stradneri BLACK (1973), Lithastrinus? stradneri PERCH-NIELSEN (1973), Microrhabdulus stradneri BRAMLETTE & MARTINI (1964), Micrantholithusstradneri CHANG (1969), Tegumentum stradneri THIERSTEIN in ROTH & THIERSTEIN (1972) sowie Vekshinella stradneri ROOD, HAY & BARNARD (1971).

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GeoSphere Austria werden sein Andenken stets ehrend bewahren.

Auszeichnungen
1979: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
1987: a.o. Univ. Prof. an der Universität Wien
2017: Eduard-Suess-Medaille der Österreichischen Geologischen Gesellschaft (ÖGG)

Ausgewählte Publikationen im Verlag der GeoSphere Austria
STRADNER, H. (1961): Über fossile Silicoflagellaten und die Möglichkeit ihrer Verwendung in der Erdölstratigraphie. – Erdöl und Kohle, 14, 87–96, Hamburg.
STRADNER, H. & PAPP, A. (1961): Tertiäre Discoasteriden aus Österreich und deren stratigraphische Bedeutung: mit Hinweisen auf Mexiko, Rumänien und Italien. – Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt, Sonderband 7, 160 S., Wien.
STRADNER, H. (1973): Catalogue of calcareous nannoplankton from sediments of Neogene age in the eastern North Atlantic and the Mediterranean Sea. – Initial Reports of the Deep Sea Drilling Project Volume XIII: Part 2 covering Leg 13 of the cruises of the Drilling Vessel Glomar Challenger Lisbon, Portugal to Lisbon, Portugal August–October 1970, 1137–1199, Washington, D.C.
STRADNER, H. & ALLRAM, F. (1981): The Nannofossil Assemblages of deep sea drilling project Leg 66, Middle American Trench. – Initial Reports of the Deep Sea Drilling Project 66, 589–639, Washington, D.C.
STEINMETZ, J. & STRADNER, H. (1984): Cenozoic Calcareous Nannofossils from Deep Sea Drilling Project Leg 75, Southeast Atlantic Ocean. – Initial Reports of the Deep Sea Drilling Project 75, 671–753, Washington, D.C.
STRADNER, H. & PERCH-NIELSEN, K. (Eds.) (1987): International Nannoplankton Association Vienna Meeting 1985: Proceedings. – Abhandlungen der Geologischen Bundesanstalt, 39, 315 S., Wien.
SAMES, B. & STRADNER, H. (2014): Type Specimens of Silicoflagellata and Archaeomonadaceae in the Collection of the Geological Survey of Austria: An inventory. – Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt, 154, 135–154, Wien.