Neue Hinweise zur Entstehung österreichischer Lithiumvorkommen

Graues Gestein mit Euromünze

Lithiumreiches Mineral vom Lachtal (Bezirk Murau, Steiermark). Spodumenkristalle mit deutlicher Spaltbarkeit (erkennbar an der Streifung), eingebettet in Quarz (Bildbreite ca. 12 cm). © GeoSphere Austria.

 

Im Alpenraum gibt es einige Vorkommen von Gesteinen, die Lithium enthalten. Für diese Gesteine gibt es ein konventionelles Entstehungsmodell, dessen universelle Gültigkeit aber seit einigen Jahren von zahlreichen Fachleuten angezweifelt wird. Nun stellt eine Studie österreichischer Geologinnen und Geologen erstmals eine geochemische Modellberechnung vor, welche eine alternative Möglichkeit für die Entstehung derartiger Gesteine aufzeigt. Das Ergebnis könnte weltweit Auswirkungen auf die Frage haben, wo man zusätzlich nach solchen potentiell wertvollen Gesteinen suchen kann.

Lithium ist ein Metall, das in unserer heutigen Gesellschaft unentbehrlich geworden ist. Es wird unter anderem für Batterien und Akkumulatoren (z.B. Mobiltelefone), in der Keramik- und Glasindustrie (z.B. CERAN-Kochplatten), in Schmieröl und für Medikamente verwendet. Der Bedarf an Lithium stieg in den letzten Jahren sehr stark, auch getrieben durch die rasant wachsende Nachfrage im Bereich der Elektromobilität.

Vorkommen und Lagerstätten

Lithium wird derzeit hauptsächlich aus Salzseen in Südamerika gewonnen. Es ist aber auch in Pegmatiten zu finden. Pegmatite sind grobkörnige Gesteine, deren Hauptbestandteile Feldspat, Quarz und Glimmer direkt aus einer granitischen Schmelze kristallisieren.

Häufig enthalten Pegmatite eine große Bandbreite an Edelsteinen und Mineralien, die reich an wirtschaftlich wichtigen Elementen, wie Lithium, Cäsium, Niob, Tantal oder Zinn sind. Von starkem Interesse dabei ist das lithiumreiche Mineral Spodumen. Die größten bekannten Spodumenpegmatit-Vorkommen befinden sich in Australien, der Demokratischen Republik Kongo und China. Daneben kommt es unter anderem in den Vereinigten Staaten, Kanada und Afghanistan vor.

Eines der größten Vorkommen von lithiumreichen Pegmatiten in Europa befindet sich im Alpenraum und es entstand im Perm vor zirka 260 Millionen Jahren.

Kontroversen über die Entstehungsgeschichte

In der Fachwelt wurden in den letzten Jahren zwei gegensätzliche Modelle zur Erklärung der Entstehung von Spodumenpegmatiten diskutiert. Im weit verbreiteten granitischen Modell geht man davon aus, dass Pegmatite mit höheren Konzentrationen an Lithium, Tantal und Niob als „Nebenprodukt“ bei der Erstarrung von großen Schmelzmengen entstanden sind, welche als „Hauptprodukt“ einen Granit formen.

„Allerdings: Bei der flächendeckenden geologischen Kartierungen der österreichischen Alpen entdeckte man zahlreiche Pegmatite, die dazugehörigen großen Granite waren jedoch nicht zu finden“, erklärt Tanja Knoll von der GeoSphere Austria (ehemals Geologische Bundesanstalt, GBA), „auch bei einigen Vorkommen in den Vereinigten Staaten, Irland und in China gab es keine derartigen Granite, die zeitlich, räumlich und geochemisch mit den vorhandenen Spodumenpegmatiten in Bezug gesetzt werden konnten. In einer zweiten These gehen Forschende seit einigen Jahren davon aus, dass lithiumreiche Pegmatite auch durch kleine Schmelzmengen ohne direkten Bezug zu einem großen Granit entstehen können. Angenommen wird, dass tiefere Bereiche der Erdkruste nur lokal und in kleinen Mengen aufgeschmolzen werden und dass dieser Prozess – Anatexis genannt – für die Bildung von Spodumenpegmatiten ausreicht. Bisher basierte dieses anatektische Modell nur auf Beobachtungen der Pegmatite im Gelände. Wir konnten jetzt erstmals eine genaue geochemische Modellierung entwickeln.“

Neue Erkenntnisse durch eine österreichische Forschungsgruppe

Zur genaueren Erforschung der Entstehung, der Verbreitung und des Lagerstättenpotenzials der österreichischen Spodumenpegmatite arbeiteten Geologinnen und Geologen der Geosphere Austria, der Montanuniversität Leoben, der Universität Innsbruck und der Universität Wien seit 2014 zusammen. Eine kürzlich von dieser Fachgruppe publizierte Studie zeigt, dass das weithin akzeptierte granitische Modell zur Entstehung von Spodumenpegmatiten für die Ostalpen nicht anwendbar ist.

2.600 Gesteinsproben, chemische Analysen, Computersimulationen

Im Zuge umfassender Geländearbeit wurden rund 2.600 Gesteinsproben aus unterschiedlichen Regionen Österreichs gesammelt und bezüglich ihrer mineralogischen und geochemischen Zusammensetzung analysiert. Es zeigte sich, dass in den weit verbreiteten und die Pegmatite umgebenden Glimmerschiefern das Mineral Staurolith die höchsten Gehalte an Lithium aufweist. „Wir hatten also keine großen Granite, aber den lithiumreichen Staurolith. Daher lag der Schluss nahe, dass die Spodumenpegmatite mit den Staurolith-Glimmerschiefern zu tun haben müssen“, sagt die Geologin Tanja Knoll, „auf der Grundlage der Beobachtungen und Daten entwickelten wir ein weltweit neues geochemisches Modell, das zeigt, dass Lithium aus einem Glimmerschiefer in eine anatektische Schmelze überführt werden kann, wenn Staurolith zu Beginn des Schmelzvorgangs enthalten ist.“

Diese Anfangsschmelze kann zwischen 0,02 und 0,1 Prozent Lithium enthalten. Die Modellberechnung zeigt, dass bei der Kristallisation der Schmelze zunächst lithiumarme Mineralien wie Quarz und Feldspat entstehen, sodass Lithium in der Restschmelze auf 0,5 bis 1 Prozent angereichert wird. Diese Menge an Lithium in der Restschmelze reicht aus, um einen Spodumenpegmatit zu bilden. Somit konnte die These, dass es zur Bildung von Spodumenpegmatiten immer einen großen Granitkörper als Quelle braucht, widerlegt werden.

Auswirkungen auf die Fachwelt und die Exploration

Das neue anatektische Lithium-Transfer-Modell wird zukünftig sowohl im wissenschaftlichen als auch im wirtschaftlichen Bereich Einfluss haben. Das Modell kann einerseits auf andere weltweite Vorkommen von lithiumhaltigen Pegmatiten, die nicht in Zusammenhang mit großen Graniten stehen, übertragen werden. Andererseits kann die Art und Weise der geochemischen Modellierung auch auf anderen wirtschaftlich wichtigen Elementen angewandt werden.

Zudem zeigt es, dass die weltweite Exploration auf lithiumreiche Pegmatite nicht nur auf die Umgebung von großen Graniten beschränkt sein sollte, sondern auch auf Gebiete mit lithiumhaltigen Glimmerschiefern erweitert werden kann.

Forschungsprojekt MRI Pegmatite

Im Zuge des Projektes „MRI Pegmatite“ arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Geosphere Austria (ehemals Geologischen Bundesanstalt), der Montanuniversität Leoben und der Universität Wien zusammen. Neben den wissenschaftlichen Zielsetzungen stand auch die fachliche Vernetzung der Institutionen im Vordergrund. Diese soll die Basis für eine zukünftig noch engere Zusammenarbeit schaffen. Gefördert wurde das Projekt durch die „Forschungspartnerschaften Mineralrohstoffe (kurz: MRI) – ein strategischer Forschungsschwerpunkt der Geologischen Bundesanstalt“ des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF).

Weitere Informationen

» Download der Publikation

(Knoll et al., 2023: Lithium pegmatite of anatectic origin – A case study from the Austroalpine Unit Pegmatite Province (Eastern European Alps): Geological data and geochemical modeling).