Wenn wir versuchen, die geologische Vergangenheit zu rekonstruieren, wird unser Bild immer schemenhafter, je weiter wir zurückblicken. Der Grund liegt darin, dass jüngere erdgeschichtliche Ereignisse vorhergehende Episoden zunehmend verschleiern. Die Zeugen der ersten Jahrmilliarden der Erdgeschichte sind zwar an manchen Stellen der Erdoberfläche noch teilweise erhalten, bei uns jedoch sind sie fast völlig ausgelöscht.
Die Gesteine Österreichs entstanden während eines langen Zeitraums, der sich über viele hundert Millionen Jahre, vom Präkambrium bis ins Quartär erstreckt. In dieser Zeit erlebten sie eine sehr unterschiedliche Entwicklungsgeschichte. Ihre ursprünglichen Ablagerungs- und Entstehungsbereiche lagen entweder auf dem Festland, in seichten Schelfmeeren, in Ozeanbecken oder tief in der Erdkruste, teilweise sogar im obersten Erdmantel. Manche heute benachbarte Gesteinseinheiten waren einst auf manchmal sogar hunderte Kilometer voneinander entfernten Kontinenten oder in den dazwischen liegenden Ozeanbecken beheimatet.
Plattentektonische Prozesse haben in diesem Zeitraum die Verteilung von Land und Wasser langsam und stetig verändert. Kontinente zerbrachen, Ozeane öffneten sich und wurden wieder geschlossen. Bei Kontinentkollisionen wurden die Gesteine verfaltet, übereinander geschoben und zum Teil in die Tiefe versenkt. Dabei wurden sie metamorph umgewandelt. Manche stiegen durch tektonische Prozesse wieder zur Erdoberfläche auf. So entstanden Hochgebirge, deren Abtragungsprodukte neue Sedimentbecken füllten. Diese Sedimente enthalten die Reste von Lebewesen der jeweiligen Zeit und diese geben uns als Fossilien Zeugnis von der Evolution des Lebens auf der Erde.
Dieses dramatische Geschehen ist in den Gesteinen Österreichs dokumentiert und Geologen können die Erdgeschichte in den Gesteinen wie aus einem Buch herauslesen. Oft ist die Information verschlüsselt, und nicht immer sind alle sich über jedes Detail einig. Das generelle Bild hat sich aber über Jahrzehnte gefestigt.